Bau des Daches

Wir bauen ein Dach…

Aus der ursprünglichen Idee ein Reetdach zu bauen wird leider doch nichts. In einer langen Gemeinderatssitzung wird mir mittgeteilt, dass es aktuell (Regenzeit) nicht genug Reet für ein Dach dieser Größenordnung in der Region gibt und, dass die Dorfbewohner sich sehnlichst ein „modernes“ Wellblechdach wünschen. So geb ich schweren Herzens ihrem Wunsch nach, da ich erkenne, dies ist nicht mein Gebäude, sondern ihres. So ist es stets mein Wunsch, auch dem Wunsch der Gemeinde zu verstehen.


Kurzerhand entwerfe ich ein Wellbelchdach, welches aber die örtlichen Gegebenheiten, wie vor allem Hitze und Regen miteinbezieht. Die Idee zu meinem Dachentwurf kommt mir, während ich die Blätter der umliegenden Mangobäume studiere und erkenne das jedes Blatt ein Wasserkollektur ist, da es das Wasser in der Kehle sammelt und es zum Stiel bzw. Baumstamm leitet. Auch stelle ich fest, dass es unter einem Baum, selbst in der größten Sommerhitze immer schön kühl bleibt, da der Wind durch die Blätter zirkulieren kann.
So beschließe ich, dass wir ein „schwebendes Dach“ bauen, damit der Wind ebenso wie bei einem Baum durch das Gebäude, zwischen Dachhaut und Ringanker/ Wand, zirkulieren kann, umso der afrikanischen Hitze entgegenzuwirken. Die meisten Gebäude im Land sind dank vieler Fehlplanungen der Welchbelchdächer, wahre Brutkästen. Viele Bewohner werden dadurch schwer Krank, da sie aufgrund der großen Hitze im Gebäude schwitzen und auch meist nachts keinen schlaf finden.
Als ich meinen Dachentwurf mit einem Mangoblatt in der Hand dem Gemeinderat vorstelle kann sich keiner im entferntesten meine Idee vorstellen. Da sage ich ihnen: „Ich werde es selbst bauen, ich brauche nur drei Zimmermänner dich mich dabei unterstützen.“ Da lacht das Dorf ungläubig, aber da sie mir voll und ganz vertrauen, geben sie mir ihr Einverständnis.



Nachdem die Zimmermänner gefunden sind und auch das Bauholz aus den Bergen geliefert ist sowie mit der Hand gehobelt wurde, können wir mit den arbeiten beginnen. Zuallererst bauen wir am Boden einen riesigen Arbeitstisch, damit wir die elf unterschiedlich großen Fachwerkträger für das Dach zimmern können. Jeder Träger ist ein Unikat, da das Dach unterschiedliche Hochpunkte hat, damit das Wasser in der Kehle, mittig des Gebäudes, zusammenläuft und anschließend in das Wasserrückhaltebecken geleitet wird. Der längste Träger hat eine Spannweite von ganzen 15 Meter und eine Höhe von 1,36 Meter. Ganze zwei Wochen nageln wir am Stück, bis endlich auch der letzte Dachträger fertiggestellt ist.

Nun kommt das ganze Dorf zusammen um die gigantisch schweren Fachwerkträger an Ort und stelle zu bringen. Wie immer alles natürlich mit reiner Muskelkraft. Auf der einen Seite stehen die Männer und müssen anheben und schieben, auf der anderen Seite (gegenüber) des Gebäudes stehen die starken Frauen mit zwei langen Seilen in der Hand und müssen mit einem kräftigen Hauruck ziehen. Eine spektakuläre Aktion die „Gott sein dank“ nach zwei Tagen erfolgreich endet.

Nachdem alle elf Dachträger sicher fixiert und justiert sind, können wir damit beginnen die Dachlatten zu nageln.

Da das Dach nun immer mehr an Form und Gestalt annimmt können es sich jetzt auch die Dorfbewohner vorstellen. Sie nennen es staunend und begeistert „kama ndege – wie ein Vogel“. Das ungewöhnliche Dach spricht sich schnell im Njassaland herum und schon bald haben wir die ersten neugierigen Besucher auf der Baustelle.

Der einzige der noch etwas skeptisch ist, bin ich selbst! Da ich feststelle, ich habe die Dachneigung etwas zu flach gewählt. Meine Befürchtung war es eingangs, dass wenn ich das Dach zu steil und hoch baue, gebe ich den starken Winden zu viel Angriffsfläche und das Dach könnte somit wegfliegen. Da keine Holzlatte und kein Holzbalken in Tansania genormt ist, geschweige den gerade sowie gleich stark ist, kommt es nun auf jeden Millimeter an, damit das Dach wie geplant am Ende auch das Wasser zum gewünschten Endpunkt ableitet.

Nach weiteren zwei Wochen ist endlich die letzte Dachlatte montiert und das Vogelgrippe ist bereit für die sehr sehr teuren Wellbleche.

Binnen einer Woche und mit Unterstützung weiterer Fächerkräfte bringen wir die 400 m2 große Dachhaut auf. Das Wellblechdach ist nun mit abstand das teuerste Gewerk auf unserer Baustelle und die Spenden sind nun so gut wie aufgebraucht. Ich stelle zu meinem erstaunen fest, der Wind zirkuliert wie geplant wunderbar durch das Gebäude und es ist im Gebäude wirklich so schön kühl wie unter einem Mangobaum.

Genau mit meinem letzten Tag in Ndingine werden wir mit dem Bau des Daches fertig. Es bleibt nicht mal mehr Zeit für ein Richtfest geschweige den eine Einweihungsfeier. Als wir zu Abschluss nochmal einen Eimertest machen und das Wasser wie geplant über die Schwanzspitze (Endpunkt) in das zukünftige Wasserrückhaltebecken schießt ertönen laut, euphorisch und jodelnd die Gesänge der Frauen und Männer. Ich bin wahrlich so erleichtert und glücklich, dass das Dach kein Fiasko wurde. Wenn es in strömen regnen sollte wird sich hier am Gebäudeende ein wahrer Wasserfall herabstürzen. Gott schenkt uns Menschen so vieles, Wasser sowie Erde sind nur wenige dieser unersetzlichen Gaben.

Mit den restlichen Spendengeldern bauen wir unter anderem dieses schöne freizugängliche Taufbecken, welches gleichzeitig auch ein Vogel- und Insektentränke ist.
Der Mensch ist für mich untrennbar von der Natur, mit der Natur verbunden. So habe ich bestmöglich versucht die Natur mit in das Projekt „Begegnungsstätte für Ndingine“ miteinzubeziehen, sei es in der Gestaltung, der Materialität, der Harmonie und der Blickbezüge.

Mit den letzten „Groschen“ haben wir begonnen den Fußboden des multifunktionalen Gemeindehauses und

der Veranda sowie die Treppe zu bauen.
Es bleibt mir nur noch kurz Zeit um ein Foto mit meiner Familie in Ndingine zu machen, da Regen gemeldet ist und ich gleich meine Rückreise in meine zweite geliebte Heimat antreten muss.