Werkzeugübergabe
Gruppenfoto…
Es ist Sonntag und wir können es wieder einmal wagen nach Ndingine zu fahren.
Diesmal haben wir die Werkzeuge, die wir einige Wochen zuvor in Songea gekauft haben, zur Übergabe an die Gemeinde dabei.
Wir haben extremes Glück mit dem Wetter: Es ist immer noch Regenzeit, aber dennoch scheint heute mal durchgängig die Sonne. Ich freue mich sehr, da ich wieder „nette“ Begleitung habe, diesmal aus Deutschland und Australien. Vier Volontärinnen des St. Annes Krankenhauses – Melissa, Sarah, Victoria und Sharmain – sowie Christopher von „Down Under“ – der mittlerweile eher als Tansanier zählt – sowie mein Freund Till-Simon.
Die Straßen sind derzeit mehr als „miserabel“, eine richtige Abenteuerfahrt erwartet uns. Wir fahren über Stahlbrücken, durch mehrere Flüsse – was bei Regenfall unmöglich wäre – und viele Hügel rauf und runter. Passend dazu läuft „Bongo flavour“, eine tansanische Musikrichtung. Wir werden von links nach rechts geschüttelt. Dank Allradantrieb und Castor – unserem zuverlässigen Fahrer – schaffen wir es unbeschadet bis nach Ndingine.
Als wir an der anglikanischen Kirche ankommen ist der Gottesdienst noch in vollem Gange.
Welch ein Glück für mich und meine Begleitung, den Chor in Ndingine echt zu erleben. Das ist ein ganz besonderes Erlebnis. Die feierliche Übergabe der Werkzeuge erfolgt unverzüglich nach dem Gottesdienst. Daniel übersetzt meine Ansprache an die Gemeinde auf Kimpoto. Es ist ein unglaubliches Gefühl vom Altar aus in die faszinierten und aufmerksam zuhörenden Gesichter zu schauen und jede einzelne Reaktion aufzunehmen. Ich bin sehr gerührt von so viel Dankbarkeit für diese für deutsche Verhältnisse „kleine“ Gabe. Anschließend darf Till-Simon seine kleinen Mitbringsel übergeben, die genauso einen Effekt auslösen. Er hat einen Fußball, eine Ballpumpe und Buntstifte – „Langi“ dabei. Es herrscht eine unglaubliche Stimmung in dem schönen Backsteingebäude. Zu schade dass es bald abgerissen werden muss. Da wir die Backsteine beim Neubau wiederverwenden wird der „Spirit“ vom heutigen Tag für weitere Jahre erhalten bleiben. Nachfolgend muss sich der Rest der Besuchergruppe der Gemeinde vorstellen: so ist es Brauch in Tansania. Jeder der neu ist, muss sich persönlich mit ein paar wenigen Worten erklären und ist damit als Mitglied aufgenommen.
Gemeinsam verlassen wir mit viel guter Laune und begleitet von Gesängen die Backsteinkirche.
Anschließend werden wir aufgefordert einigen Gemeindemitgliedern zu folgen. Wie beim letzten Termin vereinbart, haben sie fleißig Steine gesammelt. Castor fährt uns mit dem voll beladen Auto – mindestens 15 Leuten finden auf wundersame Weise Platz – zu den Sammelstellen. Wie schön dass gerade Regenzeit ist! Es ist wunderbar Grün in der sonst so trockenen Landschaft. Viele Monate im Jahr gleicht die Gegend eher einer Wüste, doch nun gibt es Grün in tausenden Tönen. Dennoch hat es an Hitze nichts verloren: alle schwitzen wir. Ich bin zutiefst erstaunt, wie die Gemeindemitglieder es geschafft haben bei dieser Hitze in mühseliger Handarbeit so viele Steine zu sammeln.
Dabei muss ich an die alten Ägypter denken, die ihre Sklaven mit Peitschenhieben dazu getrieben haben ihre Weltwunder zu erbauen, welche wir heute noch bewundern. Hier ist alles freiwillig geschehen, der Wille der Gemeinde scheint sehr stark zu sein. Sie wollen unbedingt ihr Projekt umsetzen und ich darf ihnen helfen. Welch eine Ehre!
Weil ein üppiges Mittagessen an diesem besonderen Tag nicht fehlen darf ist ein weiteres Treffen erst wieder für den Nachmittag vereinbart. Es gibt Ugali, Reis, frisch gefangenen Fisch aus dem See und Obst.
Die 30m Markierung mit Daniel, Melissa, Sarah, Victoria, Sharmain, Christopher und ich… [Foto: Till-Simon Chmelik, Tansania, 03/2016]
Ich darf nochmals das geplante Projekt mittels mitgebrachten Laptop vorstellen. Eine Traube von Menschen versammelt sich um mich und wir sitzen dabei im Schatten der riesigen Mangobäume.
Danach geht´s zum Baugrundstück, welches direkt hinter der anglikanischen Kirche liegt.
Eine wilde Diskussion entsteht, deren Auslöser ich anfangs nicht verstehe. Ich halte mich zurück, beobachte die Situation, bis sich nach einigen Minuten der für mich richtige Moment ergibt. Ich übernehme das Ruder, lass mir von einem Gemeindemitglied die angespitzten Äste geben, nehme die mitgebrachte Schnur und stecke das ganze Grundstück nach den benötigen Maßen ab. Genau 60 m. Alleine hätte ich das natürlich nicht geschafft, einige Menschen helfen mir, während die anderen noch wild diskutieren. Dann richten auch diese den Blick auf mich, beobachten und schauen neugierig, wie ich mit großen Schritten durch das Dickicht stapfe und die scheinbar „ernste“ Diskussion geht in ein Lachen über. Ich lasse mich nicht beirren und mache in der brütenden Hitze weiter.
Als ich fertig bin, bin ich selbst genauso erstaunt über die tatsächlichen Ausmaße wie alle anderen Gemeindemitglieder. Nun verstehe ich den Auslöser der Reaktionen und schmunzle selbst. Wie ich erfahre ist die Ursache der ganzen Diskussion, dass die Kirchengemeinde die benötigte Fläche nicht ganz besitzt und deshalb noch Land von den Nachbarn gekauft werden muss. So wittern einige Nachbarn „das große Geld“, da ein Weißer – „Mzungu“ in das Projekt involviert ist. Wohl irrtümlich denken sie, das wäre nun mein alleiniges Projekt. Dr. Daniel macht den betroffenen Nachbarn klar, dass es nicht mein Projekt ist, sondern ich lediglich um Hilfe gebeten wurde. Selbstverständlich ist es immer noch das Projekt der anglikanischen Kirchengemeinde Ndingine, welches auch nur durch deren eigenes Zutun umgesetzt werden kann; und vielleicht von zusätzlichen fleißigen „Helfern“ aus Deutschland. Wir beschließen einen weiteren Termin festzusetzen um eine Entscheidung zu finden. Dies ist wohl die beste Lösung an diesem Tag. Die anderen Gäste sitzen währenddessen im Schatten und haben von dem ganzen Spektakel nichts mitbekommen. Da Dr. Ndimbo kurzer Hand weggefahren ist um die ebenfalls betroffen Nachbarn zu treffen, habe ich Gelegenheit, einigen Gemeindemitgliedern – darunter dem Baumeister – „Fundi“ – die genaue Bauabfolge des Projektes zu schildern.
Ich nutze die Zeit auch, um aus vorhandenen Erdhaufen ein richtiges Modell mit Stampflehmwänden zu bauen. Nach chaotischem Beginn entwickelt sich ein geregelter Prozess, da mir nach kurzer Zeit viele Hände von allen Seiten helfen das Modul zu errichten.
Ich bin hin und weg: So viel Begeisterung, Hilfe und Verständnis habe ich nicht erwartet.
Auf der Rückfahrt sitze ich auf der Rückbank des Toyotas und darf in sehr viele glückliche Gesichter blicken.